Andere Politik | » Grundsätzliches zu den C-Waffen Syriens und dem Umgang damit.
Dipl. Ing (chem.) Karl-W. Koch, Mehren:
Wirtschaftsminister von 2002 bis 2005 war Wolfgang Clement, SPD, von 2005 bis 2008 Michael Glos, CSU. Bis 2005 waren die Grünen an der Regierung beteiligt.
Die in der Antwort auf die Anfrage der Linken genannten Chemikalien Kaliumcyanid, Natriumcyanid, Fluorwasserstoff, Amminiumhydrogendifluorid und Natriumfluorid sind in der Tat alles Grundchemikalien, für die es AUCH (!) zivile Nutzungen gibt. Beide Gruppen (die -cyanide und die Flusssäure-bildenden Chemikalien) werden in der Metallurgie verwendet, letzte zusätzlich für Zahnpasten. Bei den vorliegenden Zahlen hätten nach meinen Berechnungen allerdings 2002/03 mindestens – vorsichtig geschätzt – 20.000.000 Tuben und 2005/06 75.000.000 Tuben hergestellt werden müssen, da die Flusssäure bzw. die Fluorid nur in geringen Spuren verwendet wird. Die Cyanverbindungen werden in erster Linie zur Gewinnung von Edelmetallen (Gold) aus dem Boden verwendet, über größere Goldfunde in Syrien in diesen Jahren ist mir nichts bekannt. Flusssäure könnte auch bei der Uranverarbeitung Verwendung finden (Überführung von Uran in Uranhexafluorid zur Anreicherung). Syrien hatte offenbar ein Atomwaffenprogramm, das Uran stammte offenbar auf Umwegen über Schweden auch aus Deutschland …
Abgesehen von meiner persönlichen Meinung, dass mit Unrechtsregimen keinerlei Handel (abgesehen von Nahrungsmittel und Medikamenten) stattfinden sollte ist die Lieferung wie in der Beantwortung der Anfrage der Linken offengelegt an das syrische Regime unverantwortlich und nicht vertretbar. Bei den Liefermengen und dem Umfeld (vorangegangene Giftgaseinsätze durch den Irak) hätten bei jedem Fachmann die Alarmglocken Sturm läuten müssen. Unmöglich und unerträglich sind derartige Lieferungen an Länder, die das Chemiewaffenübereinkommen (CWÜ) nicht ratifiziert haben.
Ich erwarte umgehend nach der Bundestagswahl die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, um die Hintergründe aufzuklären und es wäre hilfreich, wenn das dieses mal NICHT unbedingt die Linken initiieren würden. Rotgrün hat für die Zeit bis 2005 die Verantwortung und der grüne Teil kann sich dabei nicht davonstehlen. Schön und wünschenswert (und vielleicht sogar noch etwas hilfreich in Sache „Wahl“) wäre gewesen, wenn Claudia für die rotgrüne Zeit Verantwortung übernommen und Aufklärung versprochen hätte. Es sei hier nochmals daran erinnert, dass die rotgrüne Regierung auch in Geheimdienstfragen mit Syrien zusammen gearbeitet hatte und sogar zuließ, dass ein deutscher Staatsangehöriger bei CIA-Verhören in Syrien gefoltert wurde.
Bisher ist nur erwiesen, dass C-Waffen (namentlich Sarin) eingesetzt wurde. Wenn, wie immer wieder thematisiert, dieses mit Raketen verschossen wurde, sollte es für NSA und andere doch ein Leichtes sein, dies zu beweisen. Es erzähle mir keiner, es gäbe keine Luftraumüberwachung Syriens. Wie ich an anderer Stelle bereits schrieb, lässt sich anhand der Zusammensetzung der verwendeten Sarins (und bei der großen Anzahl an Opfern müsste genügend Material sicher gestellt worden sein) überprüfen bzw. nachweisen, ob es sich um syrisches, libysches oder Sarin anderer Herkunft handelt. Die Chemische Analytik ist dazu heute in der Lage. Dazu habe ich bisher nichts gehört oder gelesen, auch die Forderung danach ist mir noch nicht begegnet. Auf jeden Fall muss Anklage in den Haag erhoben und die Schuldigen bestraft werden. Dem müsste auch die syrische Regierung zustimmen können, will sie nicht ihr Gesicht verlieren.
Es gibt genau zwei möglich Handlungsstränge, die sich aus den Verhandlungen und Ergebnissen der letzte Tage ergeben haben:
Einer Übergabe der C-Waffen durch die syrische Regierung wird immer der Verdacht anhängen, dass sie nicht vollständig ist (was allerdings auch bei 1. nicht 100% gewährleistet, aber doch wahrscheinlicher ist). Eine Überprüfung vor Ort wird durch zumindest einen Teil der Rebellen scheitern. Al-Qaida-Ableger werden den Teufel tun, zu zuschauen, wie die USA C-Waffen bergen, um damit indirekt Assad den Kopf zu retten. Es muss Teil des UN-Beschlusses werden, dass Assad verpflichtet wird alle Unterlagen offenzulegen und in dieser Frage uneingeschränkt zu kooperieren. Ein Verstoß muss mit harten Sanktionen belegt werden, die von allen UN-Sicherheitsratsmitglieder getragen werden, sonst ist dieser Pfad von vorn herein gescheitert. Auch eventuelle Verluste von Material und/oder Chemikalien muss offen gelegt werden. Die Nachbarländer (Irak, Libanon) müssen einbezogen werden und Kontrollen in ihrem Hoheitsbereich zustimmen, da der Verdacht besteht, dass ein Teil der Waffen dorthin bereits ausgelagert wurde.
Überhaupt noch nicht thematisiert (auch nicht von Seiten der Grünen Fraktion) wurde der Status von Israel und Ägypten bezogen auf das Chemiewaffenabkommen CWÜ. Beide haben das CWÜ noch nicht ratifiziert, Ägypten hat – wie Syrien – das Abkommen nicht einmal unterzeichnet. Syrien wird in einem nächsten Schritte der Verhandlungen – aus seiner Sicht völlig berechtigt – die Einbeziehung dieser beiden Staaten in der unmittelbaren Nachbarschaft fordern, und bei Nicht-Zustimmung (wobei wohl diese vor allem nicht aus Israel zu erwarten ist) die Verhandlungen verzögern oder scheitern lassen.
Assad spielt klug auf Zeit und hat diese Runde schon so gut wie gewonnen. Die Grundlagen dafür legten die westlichen Staaten wie die USA und auch Deutschland mit der vorbehaltlosen Politik der Unterstützung von Unrechtsregime über Jahrzehnte (die ja sogar heute noch weitergeht, s. Bahrein u.a.). Solange wir diese Politik nicht ändern werden alle anderen Handlungen ins Leere zielen.
Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der Linken ist hier