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Entwicklung des Syrienkrieges und der gesamten Region?

Moskau und die Westmächte arbeiten bisher gegeneinander. Russland fliegt Luftangriffe gegen Anti-IS-Rebellen, die für Washington Partner im Kampf gegen die Dschihadisten sind. Mit willkürlichen Luftschlägen und anderen Formen kollektiver Bestrafung tötet das Assad-Regime wesentlich mehr Zivilisten als der IS, besonders in den sunnitisch dominierten Gebieten. Mit seiner brutalen Taktik befeuert Assad den Teufelskreis der Radikalisierung im eigenen Land und in der Region. (Zu dem Beitrag gab es auf einer Verteilerliste (BAG-Frieden) eine Rückmeldung, die ich wiederum beantwortet habe, das ist nachfolgend angehängt …)

Er schürt konfessionelle Gewalt und macht vor allem die Sunniten zu Opfern – wovon wiederum der IS profitiert.[1] Aktuell (7.2.2016) explodieren die Flüchtlingszahlen erneut, weil das Assad-Regime und/oder die russische Luftwaffe Aleppo massiv bombardiert. Aleppo ist NICHT in der Hand des IS! Sowohl das Assad-Regime wie auch Aufständige belagern ganze Städte (allein in Madaja bis zu 40.000 Menschen[2]) und versuchen durch die mittelalterliche Methode des Aushungerns dies einzunehmen. Die Türkei macht das, was Europa erwartet: Sie schließt die Grenze und lässt die Flüchtlinge nicht in die Türkei.

US-Vize Bidden erwägt ernsthaft eine militärische Lösung, der Aufbau eines Flughafens im Norden Syrien durch US-Kräfte läuft offenbar bereits … [3]

Gleichzeitig eskaliert der Stellvertreterkrieg (zwischen Iran und Saudi-Arabien) im Jemen, hier gibt es allerdings keine Fluchtmöglichkeiten für die Menschen.[4] Vielleicht wird DESHALB dieser Krieg hier in Europa nicht zur Kenntnis genommen? Auch in Libyen eskaliert erneut die Lage. Und auch erwägt die US-Regierung militärisches Eingreifen.[5]

Allerdings scheint (außer bei den Hardliner in den USA) unstrittig zu sein, dass dieser Krieg gegen den IS militärisch nicht zu gewinnen sein wird. Der IS ist keine zu bekämpfende Armee, die Kämpfer tauchen in die – sie oft bereitwillig unterstützende[6] – Bevölkerung ein und sind nur zu „vernichten“, wenn Abertausende von umgebenden Zivilisten mit „vernichtet“ werden. Dies wiederum würde wiederum in ungeahntem Ausmaß Nachschub für die IS-Kämpfer produzieren …

Lösbar ist dieser Konflikt nur langfristig, mit Druck auf alle Unterstützer  des IS, seien es Geschäftsleute und Millionäre aus den Emiraten oder Saudi-Arabien, seien es Teile der dortigen Machtcliquen, seien es bestimmte Kreise in der Türkei. Vor allem die Unterstützung durch die Arabische Halbinsel muss durch wirtschaftlichen und politischen Druck umgehend unterbunden werden, selbst wenn dies wirtschaftliche Folgen für die deutsche Exportwirtschaft nach sich ziehen würde. Dies wäre mit Abstand das kleinere Übel. Sämtliche Waffenlieferungen in die Region sind – was nach aktuellen Gesetzen durch die Kriegsentwicklung vor Ort möglich ist – sofort einzustellen. Die Wirtschaftsbeziehungen sind umgehend – unter Beachtung der Rechtslage zu beenden, wenn sich die Regierungen nicht nachweislich umgehend verpflichten, sämtliche Unterstützungen des IS aus ihren Ländern zu stoppen.

Die UN muss schnellstmöglich mandatiert werden, bewaffnete Einheiten („robustes Mandat[7]) zusammen zu stellen, die vor Ort zum Schutz der Zivilbevölkerung[8] wie aktuell in Aleppo oder Madaya durchzusetzen. Die von den rechten Grünen oft und gern instrumentalisierten Rufen nach „R2P“ (so in den Jugoslawienkriegen oder bei Afghanistan) sind aktuell nicht zu hören. Warum nicht? Der 2012 verabschiedete – m.E. durchaus hilfreiche und anwendbare – Kompromiss[9] ruft gerade zu nach einer grünen Initiative in dieser Frage.

Alle anderen Bundeswehrmandate sind zugunsten einer Beteiligung an diesem Kampfeinsatz zu beenden. Sie dienen – wie etwa in Mali[10] – ohnehin eher anderen Interessen, wie dem Schutz der französischen Rohstoffinteressen in der Region oder führen  – wie Waffenlieferungen an kurdische Peschmerga[11], die dann auf dem freien Markt verkauft werden – zur weiteren Destabilisierung.

 


[1]     https://zeitschrift-ip.dgap.org/de/ip-die-zeitschrift/themen/die-kriege-des-jahres-2016

[2]     http://www.fr-online.de/syrien/syrien-300-hungernde-aus-madaja-evakuiert,24136514,33503856.html

[3]     http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/naher-osten/amerika-auf-militaerische-loesung-in-syrien-vorbereitet-sagt-vizepraesident-joe-biden-14030654.html

[4]     https://netzfrauen.org/2016/01/16/36757/

[5]     https://www.freitag.de/autoren/gela/libyen-im-januar-1

[6]    Gerade im Irak hat das Regime NACH dem Sturz von Saddam Hussein unter den vorher an der Macht beteiligten Sunniten „aufgeräumt“ und diese sozial wie machtpolitisch ins Abseits gestellt. Das rächt sich heute …

[7]    https://de.wikipedia.org/wiki/Robustes_Mandat

[8]    http://www.sueddeutsche.de/politik/un-friedensgespraeche-syrische-regierung-erlaubt-humanitaere-hilfe-fuer-belagerte-staedte-1.2845259

[9]    https://www.gruene.de/fileadmin/user_upload/Beschluesse/Aussenpolitik-Schutzverantwortung-Beschluss-BDK-11-2012.pdf

[10]   http://www.spiegel.de/politik/ausland/mali-frankreich-kaempft-gegen-islamisten-und-um-bodenschaetze-a-877679.html

[11]   2014 hatte die Bundesregierung begonnen, kurdische Peschmerga im Nordirak mit Waffen auszurüsten, um sie im Kampf gegen den IS zu unterstützen. Zusätzlich wurden Bundeswehrsoldaten in den Nordirak entsandt, um die Peschmerga zu trainieren. http://www.zeit.de/politik/2016-01/peschmerga-nordirak-bundeswehr-waffen

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Im BAG-Frieden-Verteiler:

Am 11.02.2016 um 17:52 schrieb Lino Klevesath:

Hallo Karl,

ich finde es bemerkenswert, dass Du auf Deiner Webseite (https://andere-politik.de/2016/02/entwicklung-des-syrienkrieges-und-der-gesamten-region/) den Einsatz von Militär zum Schutz der Zivilisten forderst – unter Einschluss der Bundeswehr. Du erklärst von den „rechten“ Grünen, die R2P häufig instrumentalisiert hätten, sei nichts zu hören. Nun sehe ich mich nicht als „rechter“ Grüner – ich wollte nur noch einmal daran erinnern, dass ich zusammen mit anderen auf dieser Liste 2014 den BDK-Antrag gestellt hatte, den US-Einsatz gegen ISSIS zu unterstützten und ihn durch eine Flugverbotszone so zu erweitern, dass Zivilisten auch vor Assads Angriffen geschützt werden. Dabei haben wir uns dafür ausgesprochen, einen solchen Einsatz auch ohne Mandat des Sicherheitsrates zu untersetzen, eben weil Russland kein Interesse hat, Zivilisten in Syrien vor ihrer eigenen Regierung zu beschützen. Mittlerweile sind die Voraussetzungen für einen solchen  Einsatz wegen der russischen Militärintervention ungleich schlechter.

Die Idee, bei einer Blockade des UN-Sicherheitsrates die Generalversammlung anzurufen, wie wir es 2012 beschlossen haben (ich war damals noch nicht Mitglied der BAG) finde ich charmant. Allerdings würde ein Votum der Generalversammlung (ob es eine Mehrheit für einen Militäreinsatz in Syrien gäbe ist eh zweifelhaft) völkerrechtlich ein Votum des Sicherheitsrates nicht ersetzen – insofern geht es um die Frage, ob man bereit ist, im Notfall auch ohne klare völkerrechtliche Legitimation zu handeln oder nicht.

Um einen solchen Einsatz wirklich umzusetzen, bedürfte es des militärischen Engagements der Amerikaner – und der politischen und moralischen Unterstützung der Europäer, die sich dann vor allem in Form einer symbolischen militärischen Beteiligung äußern würde. Mehr und mehr zieht sich die USA allerdings militärisch aus dem Nahen Osten zurück, und Europa muss mit den Folgen allein zurechtkommen. Darauf haben wir (auch wir Grüne) bisher keine Antwort.

LG
Lino

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Meinen Antwort im Verteiler:

Lieber Lino
Du hättest nicht auf meine HP gehen müssen, (aber danke für die Ehre), ich hatte m.W. diesen Einzel-Text auch hier über die Liste geschickt 😉 Aber zur Sache:
1. Habe ich in der Tat von den Grünen, die R2P in der Vergangenheit massiv gefordert und m.E. teilweise auch instrumentalisiert haben, in dieser Sache noch keine Vorschläge gehört oder gelesen.
2. Die Situation in Syrien/Irak/ … ist mit der im Kosovo oder Bosnien oder auch Afghanistan nicht vergleichbar. Zur Erinnerung: In Ex-Jugoslawien hatte ein Diktator Teile seines Volkes unterdrückt und tyrannisiert, diese haben sich dagegen gewehrt und bekamen (sehr eigennützige) Hilfe von Nachbarn. Im Fall Kosovo begannen BEIDE Seite Unrecht, die eine deutlich mehr, aber eben auch die andere. Deutschland, die USA, die NATO hatten sich einseitig eingeschaltet, das Unrecht der einen Seite ignoriert (und teilweise bis heute nicht die Aufarbeitung vorangetrieben) und die andere Seite unter der bewussten Gefährdung der Zivilbevölkerung bombardiert. In Afghanistan gab es UN-Mandat zur Ergreifung von Terroristen („die Verantwortlichen für die Anschläge und deren Unterstützer zur Verantwortung zu ziehen, sowie „verstärkte Anstrengungen zu unternehmen, um terroristische Handlungen zu verhüten und zu bekämpfen„), das gnadenlos überzogen wurde mit teilweise obskuren Begründungen (Mädchenschulen!). Der Abzug war eine erkennbaren Niederlage des Westens, der Bürgerkrieg eskaliert mittlerweile. Wo bleibt hier eigentlich die GRÜNE Initiative (die ja bekanntlich Nov. 2001 mit großer Mehrheit FÜR dieses Kriegsmandat gestimmt hatten), die beginnenden Abschiebungen nach Afghanistan zu verhindern? Auch da sehe ich aktuell KEINE Initiative!
In Syrien/Irak/… tobt ein regionaler Stellvertreterkrieg auf gleich 2 (!) Ebenen (Schiiten/Sunniten bzw. ihre Schutzmächte und NATO/Russland) mit weiteren Querinteressen (Türkei).
Zwischenfazit: Hier gibt es gravierende Unterschiede: JETZT wäre ein Einsatz zum Schutz der Menschen vor Ort angebracht und nötig (= Nothilfe, eine Ebene mit Notwehr!), in den bisherigen Fällen war es m.E. eher ein vorgeschobenes, wenn nicht ein instrumentalisiertes
Argument.
3. Den von dir vorgeschlagenen Weg („den US-Einsatz gegen ISIS zu unterstützten und ihn durch eine Flugverbotszone so zu erweitern, dass Zivilisten auch vor Assads Angriffen geschützt werden„) habe ich (aus meiner Sicht aus gutem Grund) aber im selben Beitrag deutlich abgelehnt: „Allerdings scheint (außer bei den Hardliner in den USA) unstrittig zu sein, dass dieser Krieg gegen den IS militärisch nicht zu gewinnen sein wird. Der IS ist keine zu bekämpfende Armee, die Kämpfer tauchen in die – sie oft bereitwillig unterstützende – Bevölkerung ein und sind nur zu „vernichten“, wenn Abertausende von umgebenden Zivilisten mit „vernichtet“ werden.“ Ich hoffen trotz der Kürze sind die unterschiedlichen Gedankengänge  erkennbar, sonst führe ich gern weiter aus.
4. Über Teilaspekte können wir sicherlich schnell Einigkeit herstellen (Flugverbotzone, aber warum wurde diese NICHT durchgesetzt, als dies noch möglich war?), aber mein Ansatz ist der Einsatz des Militärs AUSSCHLIESSLICH zum Schutz der Zivilist*innen, nicht zur „Lösung“ der politischen Lage, da unterscheiden wir uns schon völlig, vermute ich.
5. Die Politik der USA in der Region ist heute schon grenzwertig, wie sie sich unter einem ultrakonservativen neuen Präsidenten entwickeln würde, darüber denke ich lieber nicht nach.
6. … haben wir Grüne m.E. im Moment ohne auf viele Fragen „zu wenige Antworten“. „Mehr Mut zu mehr Grün“ ist gefragt, die Lösungsansätze haben wir zum großen Teil in unseren Programmen, Beschlüsse und im Grundkonsens stehen. Wir müssen das „nur“ wieder auspacken, dazu stehen und es in die Politik einbringen. DARIN scheitert m.E. im Moment die grüne Politik. Das HAT und einmal unterschieden von den anderen Parteien, mittlerweile sind wir da zu angepasst und duckmäuserisch. „Es könnte ja der nächsten Koalitionsverhandlung schaden“ oder wie hier in RLP tatsächlich argumentiert wird: „Das können wir eh nicht durchsetzen, wenn wir es also fordern, fällt es nachher negativ auf uns zurück“. Klasse, nur so geht Politik (Achtung Sarkasmus!)
7. Um nicht ganz ohne Antworten zu bleiben: Der Konflikt ist militärisch nicht  lösbar, im Gegenteil, jede weitere Militärinitiative wird die Lager verschlechtern. Lösbar ist das Ganze nur einvernehmlich mit allen Beteiligten, was vermutlich zu einer grundsätzlichen Neuordnung der Region mit neuen Grenzen, neuen Staaten (Kurdistan) führen wird. Das wird nur durchsetzbar sein mit einer Perspektiven zu wirtschaftlichen Entwicklung, also das Angebot eines „Marschallplan“ zur Entwicklung. Die Kostendeckung muss aus den Rüstungsetats der beteiligten Länder, aber auch der USA, Russland und Europas kommen. Kleinklein-Lösungen, zumal mit Gewalt durchgesetzt, lösen bestenfalls einen Konflikt und schaffen 3 neue!
LG KW

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