Eine Bewertung des Syrienkonfliktes
… und die deutsche Debatte, nicht nur bei den Grünen
Zunächst einmal soll versucht werden, die IST-Situation zu beschreiben, um eine Ausgangslage zur möglichen Problemlösung zu erfassen. Schon das ist aktuell unstrittig kaum möglich, daher werde ich mich auf die anerkannten Fakten beschränken und nicht belegbare Spekulationen vermeiden.
Grundlegende Feststellung:
- Aufgrund der mangelnden Recherchemöglichkeiten vor Ort und der eindeutig feststellbaren Tatsache, dass von ALLEN Seiten gelogen, betrogen und gefälscht wird muss festgehalten werden, dass jedwede Schlussfolgerung unter Umständen aufgrund FALSCHER, einseitig beeinflusster Angaben gezogen werden MUSS.
- Deutsche Medien sind zumindest mittels der Auswahl, WELCHE Meldungen WO in den Nachrichten wieder gegeben werden (und vor allem, welche weggelassen werden) an dem Informationsdefizit beteiligt.
Dennoch ist eindeutig klar erkennbar:
- Assad unterdrückt Teile seiner Bevölkerung, auch mit rechtswidrigen Methoden wie Folter, Bombardierung von Zivilist*innen …
- Am Bürgerkrieg sind höchst unterschiedliche Gruppen mit höchst unterschiedlichen Zielstellungen beteiligt.
- Die Größe/Anzahl der Gruppen, die dabei für die Errichtung einer Demokratie und Wahrung der Menschenrechte eintritt, ist zu vernachlässigen. Die Zahl derer Mitglieder liegt deutlich im unteren einstelligen Prozentbereich und hat somit keine Chance, den Bürgerkrieg auch nur entscheidend zu beeinflussen, geschweige denn zu gewinnen.
- Nachbarstaaten und Staaten aus der Region nutzen mittlerweile oder nutzten von Anfang an den Konflikt für ihre Interessen durch die gezielte Unterstützung bestimmter Gruppen mit Geld, Waffen und/oder Soldaten/Söldner. Dabei sind zu nennen (ohne eine Wertung durch die Reihenfolge): Iran, Saudi-Arabien und die Emirate, Türkei … (kein Anspruch auf Vollständigkeit).
- Die Kurden nutzen als bisherige „nichtstaatliche“ Gruppe(n?) den Konflikt, um ihre Unabhängigkeit und das Ziel eines eigenen Staates voranzutreiben.
- Alle Genannten sind mehr oder weniger an Verstößen gegen das Völkerrecht und die Menschlichkeit beteiligt und haben Schuld auf sich geladen.
- Die Großmächte USA und Russland wie auch Europa (EU bzw. einzelne Staaten) greifen massiv, teilweise militärisch, teilweise mittels Unterstützung durch Waffenlieferungen, Training von Streitkräften und/oder Geldzuwendungen in den Konflikt ein, zumindest teilweise im eignen Interesse und eher nur nachrangig, um die Lage zu beruhigen oder zu stabilisieren. Dabei werden auch Gruppen unterstützt, deren Vorgehen in rechtlicher Hinsicht zu kritisieren und zu verurteilen ist. Dies wird aber offenbar gegenüber den „Partnern“ nicht thematisiert und weitere Unterstützung wird offenbar nicht von rechtlich einwandfreiem Vorgehen abhängig gemacht.
Wie könnte/müsste also ein Lösungsansatz aussehen?
- ALLE (!) Beteiligten müssten ihre eignen Interessen hinter dem Interesse an einem stabilen Frieden (zunächst einem stabilen Waffenstillstand) zurück stellen. Schon allein daran wird eine Lösung scheitern!
- Eine von allen anerkannte Stelle (UN?) müsste die Verbrechen im bisherigen Kriegsverlauf untersuchen und die Verantwortlichen dafür rechtlich zur Verantwortung ziehen. Auch das wird nicht geschehen, weil die Betroffenen sich nicht der Gerichtsbarkeit stellen werden bzw. von anderen Beteiligten Schutz gewährt bekommen. Z.B. die USA verweigern jede Zusammenarbeit oder Unterordnung unter die UN-Gerichtsbarkeit.
- Von den Verursachern des Krieges müsste ausreichend Geld für den Wiederaufbau zur Verfügung gestellt werden.
- Die UN müssten sich mit einer EINVERNEHMLICHEN Nachkriegs-Neuordnung der Region beschäftigen, der alle Beteiligte zustimmen. Dabei müssten die berechtigten Interessen der Nachbarstaaten wie z.B. Israel und Iran angemessen berücksichtigt werden. Bei Nicht-Einvernehmen müsste die UN die Neuordnung durchsetzen, z.B. durch wirtschaftliche Maßnahmen, wie auch umgekehrt die Neuordnung mit wirtschaftlicher Förderung vorangetrieben werden muss („Marschallplan Nahost“).
Fazit
All dies ist derzeit leider völlig unrealistisch! Daher wird der Krieg weiter gehen, bis eine Seite sich militärisch durchsetzen kann. Nach dem jetzigen Stand der Dinge wird dies vermutlich die syrische Regierung/Russland/Iran sein. Die entscheidende Frage wird sein, ob die „Gegenseite“ – die ja untereinander auch unterschiedliche Zielsetzungen hat – USA, Türkei, EU, Saudi-Arabien/Emirate, Kurden dies zulässt oder den Krieg weiter eskaliert. Letzteres ist zu befürchten, ebenso wie der Ausbruch weitere Konflikte/Kriege wie z.B. Kurden/Türkei, Kurden/Irak, Saudi-Arabien und Emirate/Iran …
Deutschland ist in den Konflikt vornehmlich durch die Fluchtbewegung nach Europa involviert und hat ein Interesse an dessen Beendung. Aber einer Sympathie für einen unabhängigen Kurdenstaat steht das Risiko der Eskalation mit der Erdogan-Türkei entgegen. Dem Wunsch, den Diktator „mit Blut an den Händen“ Assad zu stürzen steht entgegen, dass ein dann wahrscheinlich islamistischer Staat (ob von der Prägung „IS“ oder nur des Saudi-Wahabismus) die Sicherheit Israels und/oder das fragile Gleichgewicht mit dem Iran auf Dauer gefährden würde. Der Iran würde den Machtverlust und die Zerstörung der Achse Iran-Irak-Syrien-Hisbollah und Russland den Verlust seiner Militärbasen in Syrien nicht hinnehmen, den USA dürfte beides insgeheim Kriegsziele sein, Deutschland und Europa sitzt da zwischen den Stühlen, da hier ein weiterer Dauerkonflikt zwischen den Beteiligten droht.
Und die Grünen?
Die Grünen wiederum sind zwischen der Unterstützung für Palästina (und damit in der Folge zwangsweise der Hisbollah) und Israel unentschieden und neigen daher eher zu gegenläufigen Lösungsansätzen. Die Unterstützung eines Sturzes Assads wäre wünschenswert, aber die absehbaren Folgen eines Sturzes (s. Libyen/Gaddafi) mit einem „failed State“ sind gegenwärtig. Eine Unterstützung Assads zur Stabilisierung der Region würde durchaus Sinn machen, ist jedoch nach den vermutlich von ihm zu verantwortenden Verbrechen nicht vermittelbar und auch nicht vertretbar.
Ein weitgehend stabiler Lösungsansatz würde viel (auch deutsches Steuer-) Geld kosten und ist daher – sinngemäß – vor allem „dem Wähler nicht vermittelbar“. Eine nötige „große“ Lösung würde wahrscheinlich auch den massiven „harten“ Kriegseinsatz deutschen Militärs beinhalten, auch das ist nicht vermittelbar, spätestens nach den ersten paar Toten würde der Einsatz massiv in Frage gestellt werden.
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