Andere Politik | » Das Ende der Demokratien …
… wie wir sie kennen, zeichnet sich immer deutlicher ab. Die Ursachen dafür sind vielfältig, teilweise selbstgemacht, teilweise den technische Entwicklungen (Überwachungsmöglichkeiten, Massenbeeinflussung …) geschuldet und teilweise durch das in sich fehlerhafte System immanent.
Die Eurokrise (zur Erinnerung, weil gern vergessen oder verschwiegen: Die direkte Folge der Bankenkrise von 2008, weil ja die Banken durch die Staaten gerettet werden „müssten“) verschärft und beschleunigt die Entwicklung in Europa: Ein nicht direkt vom Volk gewähltes Gremium (die Konferenzen der Regierungschefs) trifft weitgehende Entscheidungen, ein zweites nicht direkt vom Volk gewähltes Gremium (Kommission) nickt dies ab und das gewählte EU-Parlament wie auch die Landesparlamente haben kaum Handlungsoptionen. Allerdings wäre das EU- Parlament auch mit mehr Handlungsmöglichkeiten ausgestattet kaum handlungsfähiger, sind doch die Strukturen viel zu unübersichtlich und komplex, die vertretenen Länder viel zu heterogen. Der Fehler, eine Währungsunion durchzudrücken, ohne vorher eine Sozial- und Wirtschaftsunion mit vergleichbaren Rahmenbedingungen in den einzelnen Ländern geschaffen zu haben, rächt sich jetzt bitter.
Dazu kommt, dass in den letzten Jahren verstärkt, auch und gerade in den sog. „Krisen“ Gewinne privatisiert und Verluste verstaatlicht wurden. Griechenland ist da sicher das erschreckendste, aber bei weitem nicht das einzige Beispiel, das geht bis weit nach Deutschland hinein. In Griechenland saugt seit Jahrzehnten eine Clique von Beamten, Politikern und Unternehmern das Land aus und nachdem das Ganze gekippt und nicht mehr finanzierbar ist, werden Renten gekürzt, Sozialleistungen gekappt, die „kleinen“ Staatsangestellten (Kindergärtnerinnen, Pflegedienste, Krankenhauspersonal) entlassen (nicht etwa die „großen“ Beamten in den Wasserköpfen der Verwaltung, die kleinen Unternehmen und Arbeitnehmer besteuert bis zum Geht-nicht-mehr. Gleichzeitig werden Milliardengewinne ins Ausland transferiert und so „gerettet“, selbst Politiker mischen da kräftig mit. Da ist es dem Wahlvolk ganz einfach nicht mehr vermittelbar, wenn die Renten in 2 Jahren (seit 2010) um 22% gekürzt werden und gleichzeitig der Spitzensteuersatz von 45% auf 32% gesenkt wird, um „mehr Steuerehrlichkeit zu erreichen“.
Die deutsche Regierung unter Merkel (und der Opposition mit SPD und Grünen im Hintergrund) winken dies alles ab und finden es richtig, kämen aber nie auf die Idee, z.B. eine drastische Kürzung des Militäretats zu fordern. Grund? Ganz einfach: Die Griechen kaufen ihre Waffensysteme überwiegend in Deutschland.
Die Folge: nur noch ca. 30% der WählerInnen unterstützen die aktuelle, neue Regierung (30% ND, 12% Pasok, 6% Demokratische Linke bei ca. 60% Wahlbeteiligung). Selbst bei denen, die zur Wahl gingen, ist eine deutliche Mehrheit GEGEN den Kurs der Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen. (Erklärung ist eine Besonderheit im griechischen Wahlsystem: die stärkste Partei – ND – bekommt einen Zuschlag von 50 Sitzen im Parlament.) Die Wahl-“Sieger“ konnten nur ihre Stimmen einfahren, indem sie wie die linke Opposition gelobten „nach zu verhandeln“ und die Sparbeschlüsse zu entschärfen, wohl wissend, dass dies die Geldgeberländer nicht tolerieren werden, ja nicht tolerieren können.
Andernfalls würden bei den anderen Schuldnern neue Begehrlichkeiten geweckt. Werden in Griechenland die Sparbedingungen gelockert, wie soll dann Portugal, Spanien, Italien … und den dortigen, um ihr Überleben kämpfenden Regierungen klar gemacht werden, dass diese „Ausnahmen“ für Griechenland gelten, aber nicht für ihre Länder, die ja eigentlich weniger Verfehlungen angehäuft haben als die Griechen?
Es ist jetzt schon absehbar, dass auch die neue Regierung scheitern wird und die nächste Wahl den Radikalen auf beiden Seiten noch mehr Zulauf bringen wird. Die Weimarer Republik lässt grüßen …
In den anderen Krisenländern (Spanien, Italien, Portugal) zeichnet sich eine ähnliche Entwicklung ab. In der 4.-größten Volkswirtschaft des Euroraums, Spanien, liegt die Jugendarbeitslosigkeit nach der Implosion der Immobilienblase über 50%. Auch hier zeichnet sich, wie in Italien, ein Scheitern der Regierung ab, die Neuwahlen werden auch hier die radikalen Lager auf beiden Seiten stärken. Wahlen gewinnen wird in den Krisenländen des Euroraumes nur noch, wer einfache Lösungen verspricht, die „nicht weh tun“. Die Alternative, ein ehrliches Programm, das die Schuldigen und Gewinnler der Krisen in die Pflicht nimmt und zur Kasse bittet, ist (noch?) nicht durchsetzbar. Wenn die Erkenntnis gereift ist dass dies der einzige sinnvolle Weg aus der Krise sein könnte, der einzige Weg, der nicht ins Chaos und zu einer Zerschlagung der europäischen Strukturen führt, könnte es bereits zu spät sein.
Auch in Deutschland wird diese Entwicklung kommen. Schon heute wird über die ersten geringen Sparbemühungen der Regierungen gejammert (z.B. über die nur 1% Lohnerhöhung, 5 Jahre lang, für die Beamten in Rheinland-Pfalz). Wenn erst der Euroraum auseinanderfliegt und in der Folge die deutschen Exporte – und damit die jetzt noch sprudelnden Steuereinahmen – einbrechen, wird die Diskussion über „einfache“ Lösungen auch hier beginnen. Die derzeitige Grundlage mit einer angeblichen Vollbeschäftigungen, die sich zu 40% auf unterbezahlte Billigjobs stützt, wird sofort einbrechen und die Krise in Deutschland binnen Monaten, wenn nicht Wochen eskalieren. Spätestens dann werden die ersten alten oder neuen Parteien mit der Forderung „Zurück zur DM“ auf der Matte stehen und Stimmen fangen. Und sie werden bei der (berechtigten!) Unzufriedenheit der WählerInnen mit dem derzeitigen Parteiensystem massiven Zulauf haben. Das ursprünglich recht stabile Parteiensystem in Italien ist in einer ähnlichen Situation in den 1990ern binnen Monaten zusammengebrochen und wurde völlig umgebaut. Wer sagt, dass eine vergleichbare Entwicklung nicht in Deutschland in den nächsten Jahren stattfindet? Der rasante Aufstieg aus dem Nichts der Piraten sollte eine erste Vorwarnung sein. Die Altparteien, zu denen auch die Grünen zu zählen sind, sind auf eine derartige Entwicklung in keiner Weise vorbereitet.